Rede vor JVA Preungesheim

Kein Knast wurde je geräumt, weil dort Verbrechen stattfanden. Sie sind Orte des Verbrechens. 

Rede vor JVA Preungesheim

Wir beginnen die „Tour de Révolte et Répression“ an diesem Knast in Preungesheim. Denn am Tag der Solidarität mit politischen und allen kämpfenden Gefangenen ist der Knast auch zentral einer der Orte, der wie kaum ein anderer für staatliche Willkür und Unterdrückung steht.

In seiner Struktur und seinen Mauern ist der staatliche Zweck einbetoniert, der die Behauptung allen Menschen zeigen soll: „Jeder Widerstand ist zwecklos“ – und dieses Motto der Macht in allen Köpfen verankern soll.

Die staatliche Repression betrifft nicht nur die Gefangenen und ihre Angehörigen. Sie richtet sich immer gegen die ganze Gesellschaft. Das Knastsystem, Misshandlung oder gar Folter und langjährige Haftstrafen erzeugen ein Klima der Angst. Niemand soll es wagen grundsätzlich die bestehenden Machtverhältnisse in Frage zu stellen und radikal gegen sie aufzustehen.

Dagegen durchbrechen die Kämpfe von Gefangenen  – und die Solidarität und der gemeinsame Kampf mit ihnen – diese Politik der Einschüchterung. Sie stehen dafür, dass nur im Widerstand gegen Unterdrückung und Ausbeutung Befreiung möglich ist.

Wie jedes Gefängnis hat auch der Preungesheimer Knast eine lange Tradition der Unterdrückung.

1888 als Gefängnis für preussisch-kaiserliche Zucht und Ordnung gebaut, diente es seitdem allen deutschen Regimen.

Die Nazis bauten es zur zentralen Hinrichtungsstätte für Hessen aus. Zwischen 1938 und 1945 gab es hier über 500 Hinrichtungen.

Die erste Hinrichtung fand schon 1934 statt. Ermordet wurde der 20jährige Kommunist Josef Reitinger, an dem sich die Nazis für einen erschossenen SA-Mann aus dem antifaschistischen Kampf vor 1933 rächten.

Als der Krieg schon verloren war und Deutschland in Trümmern lag, wurden in den letzten Kriegstagen noch von hier aus Gefangene in den Wald bei Bad Vilbel verschleppt und dort ermordet.

An all die Ermordeten erinnert das Denkmal vor dem wir stehen.

Keiner der Mörder wurde je zur Rechenschaft gezogen. Nicht der Gefängnisdirektor, nicht die Henker, nicht die Richter z.B. des Kriegsgerichts Darmstadt, die Verurteilte zu Dutzenden nach Preungesheim unter die Guillotine schickten.

Preungesheim ist noch das was es immer war: ein Knast.

Kein Knast wurde je geräumt, weil dort Verbrechen stattfanden. Sie sind Orte des Verbrechens.

Auch seit 1945 waren und sind in Preungesheim Gefangene aus politischen Gründen inhaftiert.

Zum Beispiel die verurteilten Kommunistinnen und Kommunisten nach dem KPD-Verbot 1956. Ohne Hemmungen wurden Menschen verfolgt, die wenige Jahre zuvor von den Nazi-Verbrechern verfolgt wurden. Die bürokratische Schikane und juristische Perfidie der deutschen Schreibtischtäter konnte sich wieder austoben: Für eine Verurteilung reichte oft das Tragen einer roten Nelke am 1. Mai – denn es ist ein kommunistisches Zeichen.

Das begegnen uns bis heute: War in den 1980er das Sprühen eines roten Sterns ausreichend wegen Unterstützung der RAF angeklagt zu werden – so ist heute das Zeigen von Öcalan- oder YPG-Fahnen ausreichend wegen Propaganda für die PKK verfolgt zu werden.

Zum Beispiel die Genossinnen und Genossen aus der Stadtguerilla RAF, Bewegung 2. Juni und der Revolutionären Zellen – und aus allen radikalen Bewegungen nach 1968.

Zum Beispiel die Angehörigen der kurdischen Befreiungsbewegung nach dem PKK-Verbot 1993 – deren Verfolgung bis heute anhält und aktuell ist.

Aus diesen Erfahrungen steht für uns fest:

Wir sind solidarisch mit allen Gefangenen aus Widerstands-, Befreiungs- und Basisprozessen! Natürlich gibt es unterschiedliche Parolen, Mittel und Taktiken – aber das steht nicht im Vordergrund: Denn das sind die Gefangenen aus den Klassenkämpfen für die Abschaffung der Klassengesellschaft.

Wir sind solidarisch mit allen in den Gefängnissen, die gegen das Knastsystem und für soziale und politische Rechte kämpfen. Das sollte auch selbstverständlich sein.

Denn Solidarität orientiert· sich am Ziel eines jeden kämpfenden Menschen; für oder gegen bürgerliche Herrschaft, für oder gegen kapitalistische Ausbeutung. Und natürlich muss unser Kampf zum Ziel haben das Unterdrückungs- und Knastsystem insgesamt zu beseitigen.

Der Kampf für eine menschliche und gerechte Entwicklung verlangt also auch Unterstützung derjenigen, die von der Repression betroffen sind oder waren.

Wir senden von hier aus einen Gruss an alle gefangenen Genossinnen und Genossen in aller Welt:

Freiheit für alle politischen Gefangenen!

No Justice – No Peace! Ohne Gerechtigkeit – Keinen Frieden!

HOCH DIE INTERNATIONALE SOLIDARITÄT !