Rede der Rote Hilfe Frankfurt vor dem Polizeipräsidium Frankfurt
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir stehen hier vor dem Polizeipräsidium Frankfurt.
Der Gipfel der sogenannten G20-Staaten in Hamburg ging am Abend des 8. Juli 2017 zu Ende, doch die Nachwirkungen der Proteste dauern auf vielen Ebenen an. Insbesondere für die 51 Menschen, die während es Gipfels in Untersuchungshaft genommen wurden.
Dieses Großereignis wird sicher nicht durch die von den Herrschenden gefällten Beschlüsse, sondern durch die vielfältigen Proteste sowie die massiven Grundrechtseinschränkungen und Polizeigewalt in die Geschichte eingehen. Die bereits gefällten Urteile und die irrsinnigen Haftstrafen sind so eindeutig politisch motiviert wie selten. Hiergegen gilt es, mit allen politischen und juristischen Mitteln vorzugehen.
Denn die Verfahren bedrohen nicht nur die Freiheit Einzelner, sondern die vor Gericht vorgebrachten Argumentationen sind eine Gefahr für alle zukünftigen Versammlungen. Viele der Anklagen thematisieren den §125 des Strafgesetzbuches: Landfriedensbruch. Die Staatsanwaltschaft macht sich dabei zum Beispiel ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Mai 2017 zu eigen, in dem der BGH im Fall einer Hooligan-Schlägerei geurteilt hatte, dass es für den Straftatbestand des Landfriedensbruchs nicht zu einer eigenen Beteiligung oder psychischen Beihilfe – was eigentlich die Voraussetzung für eine Strafbarkeit ist – kommen muss, sondern dass das so genannte ostentative Mitmarschieren bereits ausreiche. Dass der BGH in dem Urteil selbst ausführt, bei Demonstrationen könne davon gerade nicht ausgegangen werden, ignoriert die Hamburger Staatsanwaltschaft.
Wenn sich diese Ansicht durchsetzt, hat das fatale Konsequenzen für die noch laufenden Ermittlungsverfahren und öffnet Tür und Tor für eine umfassende Kriminalisierung linken Protests.
Wir dürfen nicht zulassen, dass dies gelingt. Und erst recht nicht dürfen wir zulassen, dass es einen Keil in die Bewegung treibt, dass wir aus Angst vor Kriminalisierung uns selbst unsere Aktionsformen beschneiden und anderen Vorschriften machen. Wir dürfen nicht zulassen, dass der Bulle in unserem Kopf Oberhand bekommt!
Wir dürfen nicht vergessen, dass es hier nicht um Recht oder Unrecht geht, sondern um Politik. Dass die Polizei und die Justiz nicht tut, was sie darf und was nicht, sondern vor allem das, was sie will und womit sie durchkommt. So berichtet in einem Verfahren ein als Zeuge geladener Polizeibeamter, dass in der Dienststelle einer hessischen BFE ein Aktenordner existiere, in dem die Vernehmungsprotokolle von vor Gericht geladenen Beamt*innen gesammelt und andere vorgeladenen Beamt*innen zugänglich gemacht werden. Die jeweiligen Zeug*innen kennen also die Aussagen der jeweils anderen. Und wenn sich Polizeizeugen vor Gericht nicht widersprechen, wird das in der Regel als Stärke ihrer Aussage ausgelegt. Noch skurriler wird es, wenn so genannte Tatbeoabchter*innen geladen sind. Das sind Polizeibeamt*innen, die in der Regel zu einer BFE gehören und den Auftrag haben, in Zivil Straftaten zu beobachten. Dieses Vorgehen ist juristisch umstritten, da die Beobachtung von Straftaten ohne Intervention gegen das Legalitätsprinzip verstößt. Das stört die Polizei aber nicht. Stattdessen schickt sie die Tatbeoabachter*innen verkleidet und geschminkt in den Zeugenstand. Dort identifizieren sie vermeintliche Täter*innen und verweigern ansonsten die Aussage. Und auf solchen Absurditäten beruhen die Anklagen in den G20-Verfahren!
Und der Staat ist bemüht, weitere politische Gefangene zu machen. Mit der Einrichtung der SOKO Schwarzer Block wurden 170 Ermittler*innen eigens dafür abgestellt, Teilnehmer*innen der G20-Proteste zu ermitteln und dingfest zu machen. Die Sonderkommission rechnet mit 3.000 Ermittlungsverfahren und der Hamburger Gerichtssprecher hat bereits für das laufende Jahr 2018 100 weitere G20-Verfahren angekündigt!
Die Botschaft all dieser Maßnahmen ist nicht neu: Politischer Protest soll so gut es geht unterbunden werden. Durch die Androhung schwerer Straftaten soll so viel Angst wie möglich gemacht und schon die Beteiligung an Demonstrationen als schwere Straftat stigmatisiert werden. Wir sollen uns nicht mehr auf die Straße trauen. Aber genau hier sind wir – auf der Straße vor dem Polizeipräsidium Frankfurt! Als Zeichen, dass ihre Strategie nicht aufgeht und aus Solidarität mit all jenen, die aufgrund ihrer politischen Betätigung in Hamburg, in Frankfurt und überall auf der Welt vom Staat bedroht, verfolgt, gefangen gehalten werden. Sie alle brauchen die Solidarität der gesamten Linken!
Der Tag der politischen Gefangenen ist ein Appell, solidarisch zu sein, aufeinander zu achten, Geld zu sammeln und den Gefangenen eine Stimme zu geben. Wir hoffen, dass mit dieser Demonstration und den Veranstaltungen der letzten Tage ein Anstoß für die Solidaritätsarbeit in diesem Jahr gegeben ist!