# Station Rohrbachstr. / Startbahn West 1981
Von hier aus nicht zu sehen, aber nur zwei Straßen weiter, ist die Rohrbachstr.
Sie wurde in den 1980ern synonymhaft für Polizeigewalt.
Am 2. November 1981 war das Hüttendorf an der geplanten Startbahn West gewaltsam geräumt worden. In der Folge fanden überall Solidaritätsaktionen statt. Natürlich auch in Frankfurt: nach einer Demo von ca. 4.000 Menschen wird der Hauptbahnhof besetzt, über Stunden die Gleise blockiert und der Zugverkehr unterbrochen. Damals hieß es, es sei die „größte Bahnhofsblockade in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.“
Tags drauf, am 3.11.1981 wurde eine Demonstration in der Rohrbachstr. Eingekesselt und zerschlagen. Polizeiliche Schlägertrupps knüppelten die eingekesselten demonstrierenden Startbahngegner*innen gnadenlos zusammen. Es gab viele Schwerverletzte.
ausführlich:
Rohrbachstr. – Ort der Repression in Frankfurt gegen die Anti-Startbahnbewegung im November 1981
3. Nov. 1981: Zerschlagung und Einkesselung einer Demo in der Rohrbachstr. im Frankfurter Nordend durch eine „terroristische Aktion“ der Polizei, durch einen polizeilichen „Schlägertrupp“, der zwischen zwei Querstraßen die Demo einkesselt und die sich in diesem Straßenabschnitt befindlichen demonstrierenden Startbahngegner gnadenlos zusammenknüppelt und reihenweise schwer verletzt. Augenzeugenberichte zum „Rohrbach-Drama“ sprechen von einem Ereignis, das an „Visionen eines Bürgerkriegs, einer Militärdiktatur“ denken lies. In einer späteren Bürgerversammlung im Nordend ist von „SS-Schlägertrupps wie im Deutschen Faschismus“ die Rede – 350 Menschen kommen zu einer Bürgerversammlung der „Grünen“; Strafanzeigen werden gegen den hess. Innenminister Gries (FDP), OB Wallmann (CDU) und Polizei-Präsident Gemmer gestellt, natürlich ohne Ergebnis.
Die Polizeiaktion in der Rohrbachstr. hat eine Vorgeschichte, eine Geschichte aktiven und massenhaften Widerstands gegen die geplante Erweiterung des Rhein-Main-Flughafens durch eine weitere Startbahn, die in den Wald geschlagene Startbahn 18 West. Dazu der Pflasterstrand 117: „… jedenfalls haben die Erfahrungen dieses Widerstands Phantasien freigesetzt, wie sie selten in solcher Fülle zu finden sind. Das Dorf, das da im Wald mit den ausgefallensten Ideen verteidigt wird, ist lebendiger denn je. Wenn die Polizei in den Wald eindringt, wird sie eine noch größere moralische Niederlage einstecken müssen – selbst wenn die Hütten am ersten Tag dem Erdboden gleichgemacht werden. Denn dieser Widerstand ist zäh: Er zieht seine Kraft nicht nur aus dem Willen zu verhindern, sondern auch einem sozialen Lernprozeß, der in diesem Land selten geworden ist. Im Wald bei Walldorf wird nicht ein aufmüpfiger Teil der Jugend hinter eine Zonengrenze gedrängt, sondern eine ganze Region. Ob die da oben sich das letzten Endes wirklich leisten können, darf bezweifelt werden.“
Am 2. November, also genau einen Tag vor dem Polizeiexzess in der Rohrbachstr., wird das im Wald in Flughafennähe befindliche Hüttendorf der Startbahngegner, der soziale Ort des oben erwähnten, Zehntausende aus der Region zählenden aktiven Startbahnwiderstands, geräumt. Starken Polizei-Einheiten gelingt es, zunächst unbemerkt in das Hüttendorf einzudringen und die StartbahngegnerInnen die allmählich zur Unterstützung in den Wald kommen, zunächst vom Hüttendorf fernzuhalten. Die Alarmkette wurde wohl zu spät ausgelöst. Nach und nach kommen aber ca. 10.000 Menschen in den Wald, wo den ganzen Tag über „bürgerkriegsähnliche Zustände“ herrschen; die Polizei vernebelt mit Tränengas und „pepper fog“ den Wald. Das Hüttendorf wird „dem Erdboden gleichgemacht“, Bäume mitsamt Baumhäusern werden gefällt.
In rascher Reaktion auf diesen Polizeiüberfall auf das „Hüttendorf“ ist die „ganze Region um den Flughafen“ „in Aufruhr“; überall im Rhein-Main-Gebiet finden Demos und Aktionen statt, in Groß-Gerau und Rüsselsheim besetzen SchülerInnen die Bahnhöfe; nach einer Demo von ca. 4.000 Menschen auch in Frankfurt wird der Hauptbahnhof besetzt, über Stunden werden die Gleise blockiert und der Zugverkehr unterbrochen; nach anderen Angaben „dringen“ sogar 7.000 Menschen in den Hbf. ein und verteilen sich auf die Bahnsteige, die „größte Bahnhofsblockade in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.“ Auch bundesweit finden Solidaritätsaktionen mit den Startbahngegnern statt.
Ffm selbst wird durch die Startbahnbewegung und die Repression des Polizeiapparats zum „Demo-Zentrum der Republik“, während „die Polizei, völlig machtlos gegen die Massen, denen die Sympathie der Bevölkerung gehörte, sich zeitweise darauf beschränkt, den Verkehr umzuleiten“. Eine Zeitzeugin: „Als wir an diesem Abend die Bilder sahen vom zerstörten Hüttendorf, von den sportlichen, schlagkräftigen Beamten in Kampfanzügen, mit weit mehr als einem Meter langen hellen Knüppeln, wie sie über Gräben sprangen und Menschen nachjagten, Zusammengesunkene schlugen, die Presse behinderten, ein Stück Demokratie zerschmetterten – da wußten wir noch nicht, daß wir am nächsten Abend mitten in Frankfurt ähnliches erleben würden.“ Ein weiterer Zeitzeugenbericht über Frankfurt nach der Zerstörung des Hüttendorfes: „Diese Nacht vom 3. auf den 4.11.1981 in Frankfurt ist eigenartig. Viele Startbahngegnerinnen laufen durch die Stadt, halten es nach den Ereignissen der Nacht zuvor allein zu Hause kaum noch aus. So lebendig, aufgewühlt und gleichzeitig friedfertig war Frankfurt schon lange nicht mehr. […] Ein paar hundert Startbahngegner demonstrieren friedlich im Frankfurter Nordend. Gegen 0.30 Uhr erreichen sie die Rohrbachstraße, eine alte Wohnstraße. Sie wissen nicht, daß sich mehrere Hundertschaften Polizei in Seitenstraßen versteckt halten und einen regelrechten Hinterhalt gelegt haben. Die Falle ist perfekt, und sie schnappt zu. Entsetzte Anwohner, die durch Angstschreie aus den Betten gerissen werden, erleben mit, wie überall in ihrer Straße Menschen hemmungslos zusammengeschlagen werden. In Kampfanzügen mit außerordentlich langen Spezialknüppeln dreschen die bewaffneten Staatsvertreter auf Menschen ein, nur weil sie Startbahngegner sind. Sie jagen sie in Hinterhöfe und Keller. Manche flüchten auf Dächer oder versuchen an Dachrinnen hochzuklettern. Nur wenige können sich retten. Manche springen durch Fenster in dunkle Wohnungen. Viele werden von Anwohnern notversorgt.“
Nachdem die Demonstration von den beiden offenen Seiten zwischen Polizeiketten eingeschlossen ist, treibt die Polizei einen Teil der Startbahngegnerinnen zusammen. Hundert bis einhundertfünfzig Menschen werden von einer Polizeikette, unter brutalen Knüppelschlägen, halbkreisförmig an die Häuserwand gedrückt. Höhepunkt ist der sadistische Spießrutenlauf durch die Knüppelgasse. Anwohnerinnen, die die Szene aus den ersten bis vierten Stockwerken beobachten, vergleichen sie mit Berichten aus dem deutschen Faschismus oder lateinamerikanischen Militärdiktaturen. Augenzeugen berichten – wie z.B. Volker Steinbacher: »… schlugen diese Beamten unter Einsatz ihrer ganzen Körperkraft mit weitausgeholten Schlägen auf die sich zusammenkauernde Menge ein, bis die Demonstranten schreiend und schwerverletzt oder bewußtlos Reihe für Reihe zusammenbrachen. Auch auf die am Boden liegenden Personen wurde erbarmungslos geknüppelt, als wollte man mit Äxten Bäume fällen.«
Die Polizeiaktion in der Rohrbachstr. ist ein Versuch, durch Brutalität und Einschüchterung das „Gesetz des Handelns“ wieder in staatliche Hände zu bekommen. Aber das Gegenteil ist eher der Fall: Über Wochen und Monate wird der Konflikt weiter angeheizt: In Wiesbaden demonstrieren noch im gleichen November 150.000 gegen den Bau der Startbahn West, die bis dahin größte Demo in Hessen. Am darauffolgenden Tag gelingt es der Polizei nur mit Mühe, die Erstürmung des Flughafens selbst durch Zehntausende zu verhindern, und legt dabei den Autobahnverkehr rund um das Frankfurter Kreuz lahm. Im Pflasterstrand 120 resümiert Reinhard Mohr: „Diese Flughafen-Aktion hat Spaß gemacht – sie war befreiend für unsere angestaute Wut, ohne in eine allgemeine x-beliebige Straßenschlacht auszuarten.“
Angesichts der unmittelbar folgenden „Gewalt der Massenmedien“ gegen die Startbahnbewegung geraten Sprecher der Bürgerinitiativen jedoch in die Defensive; sie „duckten sich unter dem Hagel der Gewaltvorwürfe“. „Die Wut des Staatsapparates kommt nicht aus der Trauer um ein paar Fensterscheiben, Verkehrsschilder oder umgebogene Leitplanken, sondern aus der Tatsache, daß wir für einige Stunden sein Gewaltmonopol, seine Ordnung, seinen Straßenverkehr, kurz: sein Recht und seine Macht durchlöchert haben. … Wenn ‚gewaltfrei‘ gleichbedeutend mit ‚wehrlos‘ ist, dann kann es in der Tat keinen ‚gewaltfreien Widerstand‘ geben,“ so Mohr im ‚Pflasterstrand. In der BRD avanciere die „Gewaltfrage … zum Erpressungsmittel gegen jeden Widerstand, der nicht splitternackt vor der Herrschaft steht und stehen will“ – „statt die Legitimität und Legitimation der großhessischen Bürgerkriegspolitik anzugreifen“. Gegen die „Tiraden der FAZ“ müsse daran festgehalten werden: „Die Rechtstaatlichkeit, die unsere Existenz und Freiheit bedroht, den Landfrieden, der uns den Krieg beschert, jene demokratischen Mehrheiten, die gleichzeitig schweigend sind und immer das Sagen haben, kurz: die Ordnung, die uns am Leben hindert, können und wollen wir nicht akzeptieren.“ „Die Dynamik jeder Protestbewegung muß zusammenbrechen, wenn es kein Vorwärts, keine Handlungsperspektive, keine Spontaneität und keine Militanz geben ‚darf‘, sondern nur wortgewaltige Rückzugsgefechte.“ Gleichwohl bringt die „Gewaltdiskussion“ die Startbahnbewegung zum Kippen. Teile der Bürgerinitiativen, die sich an den „realpolitischen“ GRÜNEN orientieren, gehen auf Distanz zu den „Autonomen“ – den „Autonomen“ gelingt es zunehmend nicht mehr, über die eigene „Scene“ hinaus zu mobilisieren und den „Startbahnkampf“ mit anderen urbanen Kämpfen zu verknüpfen. Mit den tödlichen Schüssen auf zwei Polizeibeamte, auf den Tag sechs Jahre nach der Zerstörung des Hüttendorfes, und der folgenden Repressionswelle findet die Bewegung ihr Ende.